(IKM) Mit dem Roman „Zitronen“ von Valerie Fritsch lädt die Stadtbibliothek Innsbruck vom 6. bis 14. Mai zum gemeinsamen literarischen Erlebnis. Im Rahmen der Leseaktion „Innsbruck liest“ werden 10.000 Bücher verschenkt und kostenlose Veranstaltungen angeboten. Erhältlich ist das von einer Fachjury ausgewählte Buch ab Dienstag, 6. Mai, an vielen Verteilorten und bei Verteilaktionen in ganz Innsbruck. Die österreichweit einzigartige Leseaktion wurde 2004 von der Stadt Innsbruck initiiert und findet heuer zum 21. Mal statt.
„Lesen ist der Schlüssel zu Bildung und Lernen, ermöglicht gesellschaftliches Miteinander und öffnet das Tür zu Fantasie und Kreativität. Die Aktion ‚Innsbruck liest‘ verankert Literatur mitten in der Gesellschaft und übernimmt damit eine österreichweite Vorbildrolle. Mit dem heuer ausgewählten Roman ‚Zitronen‘ macht Valerie Fritsch sichtbar, was oft verborgen bleibt – und zeigt, wie Literatur als sensibles Korrektiv wirken kann“, erklärt Tirols Kulturreferent und Landeshauptmann Anton Mattle.
„‘Zitronen‘ ist ein Buch, das sensibilisiert und das uns dazu auffordert, kritisch hinzuschauen. Lassen Sie sich in den kommenden Tagen auf dieses sehr lesenswerte Buch ein“, lädt Bürgermeister Ing. Mag. Johannes Anzengruber, BSc zu den Veranstaltungen und dankt der Autorin, der Jury und dem Organisationsteam von „Innsbruck liest“.
„Die Autorin beschreibt in diesem Buch die Ausweglosigkeit aus einer von Lügen und Gewalt geprägten Kindheit. Es wirkt, als öffnete sie eine Tür und blickte hinter den ‚Apfelduft‘ und die dörfliche Idylle in die versteckten Abgründe der menschlichen Seele“, hob Kulturreferent Vizebürgermeister Georg Willi die Sprachgewalt der Autorin hervor.
Eine Lesung am besonderen Ort, ein Buchgeschenk im Schwimmbad oder eine Signierstunde mitten im Einkaufszentrum: Mit „Innsbruck liest“ kommt die Literatur zu den LeserInnen, um das Kulturgut Lesen und Literatur vielen Menschen zugänglich zu machen.
Die 10.000 Gratis-Bücher sind ab Dienstag, 6. Mai, in ganz Innsbruck erhältlich: in Bibliotheken, in Buchhandlungen, in Schwimmbädern, am Recyclinghof, im Einkaufszentrum, bei einigen Verkaufenden des 20ers und an vielen anderen öffentlich zugänglichen Orten.
Die Autorin Valerie Fritsch selbst präsentiert am 12. Mai das „Innsbruck liest“-Buch „Zitronen“. Ein besonderer Abend im Botanischen Garten findet am 13. Mai statt. Schon am 8. Mai liest der ehemalige „Innsbruck liest“-Autor (2022) Thomas Arzt als Warm-up aus seinem neuen Roman „Das Unbehagen“. Die Lesungen finden mit Gebärdensprachdolmetsch und teilweise mit Schriftdolmetsch statt. Der Eintritt ist frei.
Die Vorschläge und die Auswahl des „Innsbruck liest“-Buches erfolgte durch eine dreiköpfige externe Jury mit der Schriftstellerin Irene Diwiak, dem Geschäftsführer des Büchereiverbandes Österreich Markus Feigl sowie dem Kulturjournalisten Joachim Leitner. Den Juryvorsitz und die wissenschaftliche Projektbegleitung hat Doris Eibl (Institut für Romanistik, Universität Innsbruck) inne. Sie betont: „Mit ihrem Roman ‚Zitronen‘ wendet sich Autorin den Abgründen des privaten Lebens zu. Der metaphernreiche und gleichzeitig plastisch nüchtern erzählte Text öffnet die Tür in die scheinbar heile Welt eines kleinen Dorfes.“ Im Vordergrund steht die Attraktivität des Inhalts, hinzu kommen der Fördergedanke und formale Kriterien wie Erscheinungsjahr und Umfang des Buches.
Eine wichtige Rolle spielen Kooperationen mit regionalen Institutionen und Unternehmen, wodurch die Verteilung der Bücher an den unterschiedlichsten Orten ermöglicht wird: Land Tirol, Innsbrucker Kommunalbetriebe AG (IKB), Tiroler FlughafenbetriebsgmbH, Arbeiterkammer Tirol, Wirtschaftskammer Tirol, EKZ Sillpark, Tourismusverband Innsbruck.
Medienkooperationen: Tiroler Tageszeitung, Life Radio Tirol, Tiroler Straßenzeitung 20er.
Der im Suhrkamp Verlag erschienene Roman „Zitronen“ stand auf der Shortlist des Österreichischen Buchpreises 2024: „Valerie Fritsch erzählt von einer Kindheit, in der Gewalt und Zärtlichkeit untrennbar zusammengehören, und von der Ungeheuerlichkeit einer Liebe, die hilflos macht. Ein Entkommen ist nicht vorgesehen, es sei denn um den Preis, selbst schuldig zu werden“ (Quelle: Klappentext).
August Drach wächst in einem Haus am Dorfrand auf, das Hölle und Paradies zugleich ist. Der Vater, von sich und dem Leben enttäuscht, misshandelt seinen Sohn, Zärtlichkeit hat er nur für die Hunde übrig. Trost findet August bei seiner Mutter, die ihn liebevoll umsorgt. Doch als der Vater die Familie verlässt, verwandelt sich die Zuwendung der Mutter: Sie mischt August heimlich Medikamente ins Essen, schwächt das Kind, macht es krank; von seiner Pflege verspricht sie sich Aufmerksamkeit und Bewunderung. Erst Jahre später gelingt es August, sich aus den Fängen der Mutter zu befreien, ein unabhängiges Leben zu führen, erste Liebe zu erfahren. Doch wie lernt ein erwachsener Mensch, das Rätsel einer Kindheit zu lösen, in der Grausamkeit und Liebe untrennbar zusammengehören? Wie durchbricht er den Kreislauf von Lügen und Betrügen? Und was passiert, wenn sich dieser Mensch, Jahre später, an den Ursprung des Schmerzes zurückwagt? (Quelle: Suhrkamp Verlag)
Valerie Fritsch, geboren 1989, arbeitet als freie Autorin und bereist die Welt. Beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb 2015 wurde sie mit dem Kelag-Preis und dem Publikumspreis ausgezeichnet. 2020 erhielt sie den Brüder-Grimm-Preis für Literatur. Sie lebt in Graz und Wien. (Quelle: Suhrkamp Verlag)
Mit ihrem Roman „Zitronen“ wendet sich die Autorin Valerie Fritsch den Abgründen des privaten Lebens zu. Der nicht ganz 180 Seiten umfassende, metaphernreiche und gleichzeitig plastisch nüchtern erzählte Text öffnet die Tür in die scheinbar heile Welt eines kleinen Dorfes – „Das Dorf war so klein, dass man sich, wenn man sich umschaute, nie sicher war, ob jeder jeden kannte oder niemand niemanden […]“ – und von dort in das Haus der Familie Drach, wo das Kind August Drach, umhüllt von Apfelduft, zunächst Opfer des gewalttätigen Vaters und, als dieser die Familie verlässt, der perversen Fürsorge der Mutter wird. In ihrer Selbstbezogenheit tritt die Mutter nur dann in Beziehung zu ihrem Sohn, wenn dieser, vom Vater misshandelt, ihrer Pflege bedarf, sie ihn verarzten und trösten kann. Nach dem Verschwinden des Vaters erfindet Lilly Drach deshalb für den Sohn eine umfangreiche Krankengeschichte, die es ihr erlaubt, weiter als Pflegende tätig zu sein. Sie verabreicht ihm Medikamente, die ihn krankmachen, bis er sich ihr schließlich mit Hilfe eines Arztes entziehen kann. Erst als Erwachsener und nach dem Scheitern einer Beziehung erkennt August Drach die Tragweite des Münchhausen-Stellvertretersyndroms seiner Mutter als subtile Kindesmisshandlung, die der Gewalt des Vaters in nichts nachstand, und holen ihn alle Deformationen aus Kindheit und Jugend – Angst, Eifersucht, Selbsthass und Gewalt – als Spätfolgen sozusagen wieder ein.
Valerie Fritschs analytischer Blick auf die Geschehnisse und Entwicklungen im Leben des August Drach rückt den Text in die Nähe der psychologischen Fallgeschichte, wobei das Verhältnis von Ursache und Wirkung schonungslos durchdekliniert wird. Die akkurate Skizze der Charaktere als nahezu typisierte Figuren vor einer umso lebendiger wirkenden Landschafts- und Architekturkulisse, sowie die minutiöse Darstellung verschiedener Facetten von Gewalt, haben die Jury für sich eingenommen.
Mittwoch, 7. Mai, Life Radio 7.30–8.30 Uhr
Freitag, 9. Mai, IKB-Hallenbäder:
Samstag, 10. Mai, IKB-Bäder:
Mittwoch, 14. Mai, SILLPARK 12.30–14.00 Uhr