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Lichtverschmutzung: Auswirkungen und wie wir dagegen vorgehen können

Wer am städtischen Nachthimmel den Großen Wagen finden möchte, wird immer öfters enttäuscht. Dass die Sterne nicht mehr zu sehen sind, ist wohl das prägnanteste Symptom der sogenannten Lichtverschmutzung. Wir sehen uns genauer an, wie sie entsteht und wo sie am stärksten verbreitet ist. Außerdem behandeln wir Konsequenzen und Maßnahmen zur Vermeidung.

Die Definition von Lichtverschmutzung

Lichtverschmutzung wird oft auch Lichtsmog oder Lichtimmission genannt. Die Atmosphäre, der Wohnraum und die Umwelt werden nachts durch Kunstlicht aufgehellt. Im urbanen Raum und über stark beleuchteten Bereichen bilden sich Lichtkuppeln, welche weithin sichtbar sind. Die dunkle Nacht mit ihrem natürlichen Sternenlicht schwindet immer rasanter.

Entstehung von Lichtsmog

Ursache des Lichtsmogs ist die Lichtmenge, die Richtung Atmosphäre abgestrahlt wird. Durch kleine Partikel, die sich dort befinden, wird das Licht weiter reflektiert und vervielfacht. Über hell erleuchteten Städten bildet sich dadurch eine sogenannte Lichtglocke. Das über mehrere Kilometer gestreute Licht wirkt wie ein diffuser, heller Nebel, der dann eben als Lichtsmog bezeichnet wird, da er seinem Namensverwandten auch ähnelt.

Die häufigsten Quellen sind angestrahlte Gebäude, Werbe- und Reklamebeleuchtung, Flutlichtanlagen wie z. B. in Skigebieten, Industriebeleuchtung und Straßenbeleuchtung. Jede Beleuchtung, die nach oben hin, nach außen (z. B. in naturnahe Lebensräume) sowie in den menschlichen Wohnraum (z. B. im Schlafzimmer) nicht begrenzt wird, trägt ihren Teil zur Glocke bei. So beispielsweise auch Fernscheinwerfer von Kraftwagen oder Projektionsscheinwerfer – sogenannte Skybeamer – von Diskotheken, Clubs oder anderen Veranstaltern.

Besonders betroffene Bereiche: eine interaktive Karte

Eine internationale Forschergruppe um Fabio Falchi hat 2016 publiziert, dass 80 Prozent der Weltbevölkerung unter dem Einfluss von Kunstlicht leiden. Am stärksten betroffen sind stark besiedelte Gebiete, darunter besonders Nordamerika und Europa, wo laut dieser Studie nahezu die gesamte Bevölkerung Lichtverschmutzung ausgesetzt ist. Aus diesem Projekt ist eine interaktive Karte entstanden, die die genauen Lichtemissionen bestimmter Bereiche einsehen lässt.

 

Lichtsmog und seine Folgen: von Insektenschwund bis Energieverbrauch

Man würde denken, so ein bisschen Licht habe doch so gut wie keine Auswirkungen. Immerhin handelt es sich nur um Licht. Jedoch neigen wir dazu, den Einfluss von Photonen auf uns und unsere Umwelt zu unterschätzen, wahrscheinlich, weil uns Licht prinzipiell ein sicheres Gefühl gibt. Gefährlich wird zu viel Licht vor allem für die uns umgebende Natur.

Pflanzenwachstum

Aus dem Biologieunterricht ist höchstwahrscheinlich noch jedem das Prinzip der Photosynthese hängen geblieben. Chlorophyll absorbiert das Licht und wandelt es in chemische Energie um, die dem Aufbau der Pflanze dient. Das funktioniert selbstverständlich am besten unter Einfluss von Tageslicht. Wird dieser natürliche Rhythmus verändert, wird auch die Photosynthese und damit das Wachstum beeinflusst.

Darüber hinaus haben Forschende aus Bern und Paris herausgefunden, dass die Lichtverschmutzung Insekten so sehr beeinflusst, dass das die Bestäubung der Pflanzen beeinträchtigt. Aus diesem Paper geht hervor, dass Blüten unter künstlicher Beleuchtung um 62 Prozent weniger Besuche von nachtaktiven Bestäubern bekamen. Die reduzierte Zahl nächtlicher Bestäuber resultierte in einer um 13 Prozent geringeren Anzahl an Früchten pro Pflanze.

Einfluss auf Insekten und Vögel

In einem Artikel zum Thema „Ecological light pollution“ legen Travis Longcore und Catherine Rich dar, welche Folgen die nächtlichen Lichtimmissionen auf die Fauna haben. Sie stellen zudem klar, dass unter dem Überbegriff „Lichtverschmutzung“ meistens die astronomische Lichtverschmutzung genannt ist, die den Nachthimmel heller macht. Darüber hinaus gebe es eben noch die Lichtimmission, die auch gen Erdboden gerichtet diverse Organismen beeinträchtigt.

Besonders eklatant ist der Einfluss des Lichts auf Nachtinsekten. Sie werden von Beleuchtungsanlagen angezogen, abgelenkt und in den so gut wie sicheren Tod geführt. Insbesondere kurzwelliges Licht und UV-Strahlung beeinflusst die Tiere.  So verliert das gesamte Ökosystem Milliarden von Insekten pro Nacht. Da sich die getöteten Insekten nicht mehr fortpflanzen können, fehlt es an Nachwuchs, was einen noch größeren Schwund nach sich zieht und das System aus dem Gleichgewicht bringt.

Auswirkungen des Kunstlichts auf die menschliche Gesundheit

Außerdem hat das Licht einen höheren Einfluss auf unsere Gesundheit als wir annehmen. Durch die Nacht, die wir zum Tag machen, wird unser zirkadianer Rhythmus durcheinandergebracht. Mit anderen Worten: die Schlaf- und Wachphasen sind nicht ausgeglichen. Das ist unter anderem in einer Publikation des Bundesamts für Umwelt, Wald und Landschaft in Bern nachzulesen, die zudem die physiologischen und psychologischen Effekte des Lichtsmogs auf den menschlichen Organismus aufzählt.

Laut Tiroler Umweltanwaltschaft kann übermäßiger Kunstlichtkonsum beispielsweise das Risiko für Depressionen, Übergewicht oder Herzinfarkt erhöhen. Zudem können dadurch u. a. auch Sehschwächen sowie Netzhautschäden entstehen.

Eine Publikation der Ämter der österreichischen Landesregierungen kommt zu ähnlichen Schlussfolgerungen. Demzufolge sind die retinalen Ganglienzellen für die Melatoninausschüttung und das Hormon Melatonin für die Steuerung des Tag-Nacht-Rhythmus verantwortlich. Kurzwelliges Kunstlicht unterdrückt die Melatoninproduktion. Sie weisen außerdem darauf hin, dass wir heute unnatürlichen Lichtverhältnissen ausgesetzt sind. Den Tag verbringen Menschen in „wirtschaftlich hochentwickelten“ Ländern hauptsächlich im Innenraum, wo künstliche Beleuchtung herrscht, während nachts zu viel Helligkeit auf uns einwirkt, was verschiedenste Auswirkungen auf den menschlichen Organismus haben kann.

Maßnahmen gegen die Lichtverschmutzung

Nur die negativen Aspekte der Lichtimmissionen aufzuzählen, wäre uns allerdings zu kurz gegriffen. Wir möchten Initiativen und Projekte vorstellen, deren Ziel und Zweck die Reduktion der nachteiligen Beleuchtungskultur ist.

Gesetzgebung und Normen

Die Gesetzgeber auf österreichischer sowie europäischer Ebene haben sich diesem Problem bereits zum Teil angenommen und Normen erlassen, nach denen sich Unternehmen, die Lichtkonzepte anbieten, zu richten haben. So regelt beispielsweise die ÖNORM O 1055 den Absenkbetrieb der Straßenbeleuchtung. Gesondert zu nennen ist auch die ÖNORM O 1052, die sich um die Messung und Beurteilung der Lichtimmissionen kümmert. Sie ist dazu da, zu untersuchen, wie man trotz künstlicher Beleuchtung „Blendung, Raumaufhellung, Aufhellung der Umwelt, Himmelsaufhellung“ etc. vermeiden kann.

Spezielle Straßenleuchten: LED-Beleuchtung

Eine wesentliche Lichtquelle, die – neben Geschäfts- und Fassadenbeleuchtung – zur Lichtverschmutzung beiträgt, ist die Straßenbeleuchtung. Diese sollte bedarfsgerecht und gezielt betrieben werden. Das bedeutet, die öffentliche Beleuchtung müsste so konzipiert werden, dass sie erstens nur dann mit voller Leistung leuchtet, wenn dies benötigt wird, und zweitens möglichst wenig Abstrahlung gen Himmel aufweist.

In Innsbruck wurde das Projekt „Neues Licht für Innsbruck 2020ins Leben gerufen, wobei die gesamte öffentliche Beleuchtung bis 2020 auf effiziente LEDs umgestellt werden soll. Berechnungen zufolge wird die Einsparung etwa 2,5 Gigawattstunden betragen. Das entspricht dem Strombedarf von etwa 650 Haushalten und einer Verringerung des CO2-Ausstoßes um etwa 1.000 Tonnen pro Jahr.

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Als weiteren Schritt hat die IKB gemeinsam mit der Stadt Innsbruck an verschiedenen sensiblen Orten dynamische LED-Beleuchtung aufstellen lassen. Diese funktionieren so, dass sie ständig nur etwa 20-prozentige Leistung liefern, die gesteigert wird, sobald Bewegung wahrgenommen wird. Die einzelnen Lampen sind außerdem miteinander verbunden, sodass sich die Leuchte vor einer sich bewegenden Person automatisch aktiviert und die Leuchte hinter ihr dunkler wird.

Tiroler Initiative „Helle Not“

Die Initiative „Helle Not” der Tiroler Umweltanwaltschaft leistet wichtige Aufklärungsarbeit in Sachen Kunstlicht und seine Auswirkungen auf Mensch und Umwelt. Anleitungen zur Vermeidung von Lichtverschmutzung sollen zu einem sorgsamen Einsatz von Kunstlicht in der Nacht führen. „So wenig Kunstlicht wie möglich, so viel Beleuchtung wie notwendig“ ist das Motto und Ziel des Langzeitprojekts.

Licht ist einer der wichtigsten Umweltfaktoren in unserer Umgebung, überhaupt keine Frage. Auch künstliches Licht ist aus unserem Alltag schon lange nicht mehr wegzudenken. Wo kämen wir denn hin, wenn ab Sonnenuntergang alles stillstehen würde. Allerdings sollte man sich auch der Konsequenzen bewusst sein. Etwas weniger des Lichtsmogs würde nicht schaden, weder der Umwelt noch uns.

Innsbruck von oben vor und nach der LED-Umstellung.
Gebäude Mariahilfsraße Innsbruck vor und nach der LED-Umstellung.

Mehr zur LED-Umstellung in Innsbruck lesen Sie auch unter Neues Licht für Innsbruck 2020